Persönlichkeitsrechte nach dem Tod

Why should I care? Ob als Hype entwertet oder als nächste Stufe der Digitalisierung idealisiert - künstliche Intelligenz dringt zunehmend in unser digitales Leben: Chat-Bots und Sprachassistenten sind allgegenwärtig. Und das nicht erst seit ChatGPT. Seit einiger Zeit schon erschließen Anbieter von KI-Anwendungen auch die Bereiche des Danachs. Doch welche ethischen und juristischen Probleme gehen mit digitalen Diensten zur Vermittlung des eigenen Vermächtnisses einher? Ein Überblick über den eigenen Persönlichkeitsschutz nach dem Tod.

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Are you me? Chatbots & Deepfakes aus dem Reich der Toten

Hinweis zur Rechtssicherheit: Die hier wiedergegebenen Informationen zum Thema postmortaler Persönlichkeitsschutz möchten einen Überblick geben, die damit verbundenenProbleme skizzieren und deren Diskussion fördern (Stand Februar 2022). Sie bieten jedoch keine Rechtssicherheit.

Eine digitale Kopie, die nach dem eigenen Tod Angehörigen die Möglichkeit zur Erinnerung bietet, könnte Hoffnung zur Bewältigung des Verlusts bieten. Der Anspruch, einen Menschen zu ersetzen, kann aber auch gleichermaßen verstören. Und das nicht bloß als fiktiver Stoff der Serie Black Mirror, in welcher ein lebensecht aussehender Roboter mittels Social-Media-gespeister KI die Simulation eines Verstorbenen verkörpert. Doch Bots, die in Persona von Verstorbenen mit Angehörigen sprechen, sind bereits mehr als nur Zukunftsvision: Man kann sein digitales Vermächtnis schon jetzt bei Unternehmen wie HereAfter aus den USA ganz gezielt vorbereiten. 

 

KI soll über die eigene Sterblichkeit hinaus von Nutzen sein. Das Versprechen: Nichts Geringeres als digitale Unsterblichkeit, zumindest im indirekten Sinne. Doch was, wenn ich persönlich nicht möchte, dass eine KI aus dem Silikon Valley als vermeintlicher Klon in meinem Namen mit meiner Nachwelt interagiert? 

 

Eine ständig wachsendeZahl von Fotos, Videos und Sprachnachrichten von Menschen sammeln sich auf den Servern von sozialen Netzwerken und Tech-Unternehmen -und bieten zumindest potenziell die Möglichkeit digitaler Persönlichkeits-Kopien aus einer zunehmend lückenlos verknüpften Datensammlung des eigenen Lebens bzw. der Kommunikation darüber. 

 

Die Aussicht, dass Algorithmen von Wirtschaftsunternehmen aus den eingereichten oder bereits vorliegenden Daten heraus bewerten, was eine Person ausgemacht hat und erinnerungswürdig ist, bietet zumindest einiges dystopisches Potential und könnte durchaus beunruhigen. In der angesprochenen Serien-Episode führt dieser Aspekt zu unheimlichen Irritationen.

 

Schon gegenwärtig findet maschinelles Lernen in Form von Deepfakes vielfach missbräuchliche Verwendung: Digitaler Identitätsdiebstahl ist ein weiterverbreitetes Phänomen im Feld der Internet-Kriminalität - Falschinformation durch künstlich errechnete Bilder undVideos werden zum weitreichenden Problem in Informationsgesellschaften.

 

Eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik führt unweigerlich auch zu der Frage, inwiefern die Verwendung persönlicher Daten nach dem eigenen Tod eigentlich geschützt ist? Regelt das die Datenschutzgrundverordnung in Deutschland?

Gilt die DSGVO auch für Verstorbene?

Um es vorwegzunehmen: Nein! Im Kontext zunehmender Relevanz von digitaler Kommunikation und dem rechtlichen Schutz der eigenen Daten, regelt die Datenschutzgrundverordnung(DSGVO) seit 2012 in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vereinheitlicht die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Verantwortliche wie Unternehmen, Behörden und Privatpersonen. Die Übertragung des datenrechtlichen Schutzes auf Verstorbene wird in der DSGVO aber explizit ausgeschlossen

 

„Diese Verordnung gilt nicht für die personenbezogenen Daten Verstorbener“ (Erwägungsgrund27)

 

Jedoch wird die Möglichkeit für die Einführung eigener nationaler Regelungen der jeweiligenMitgliedsstaaten geschaffen - wovon Deutschland bisher keinen Gebrauch gemacht hat. Zumindest im Rahmen datenrechtlicher Reformen bleibt der Persönlichkeitsschutz Verstorbener somit bisher ungeregelt.

 

Neben der Datenschutzgrundverordnung gibt es jedoch einzelne nationale Gesetze, die die Rechte Verstorbener regeln und auch auf die digitale Sphäre übertragen werden können. Dazu gleich mehr.

 

Übrigens: Die Höhe der 2022 wegen DSGVO Verstößen verhängten Bußgelder gegen Tech-Unternehmen zeichnen kein sonderlich Datenschutz-wahrendes Bild der betroffenen Konzerne: Allein die Strafen gegenüber Spitzenreiter Meta wegen Missachtung des Datenschutzes summierten sich im Jahresverlauf 2022 auf 747 Millionen Euro.

Postmortaler Persönlichkeitsschutz

Hinsichtlich des rechtlichen Schutzes der eigenen Persönlichkeit besteht ein wichtiger Unterschied zwischen lebenden und verstorbenen Personen: Genauer wird zwischen Persönlichkeitsrechten und Persönlichkeitsschutz unterschieden. 

 

Persönlichkeitsrechte gelten genau genommen nicht über das Leben einer Person hinaus - sie erlöschen gewissermaßen mit dem Tod. Was jedoch nicht heißt, dass das Andenken an die verstorbenePerson nicht geschützt ist. Denn bestehen bleibt ein Achtungsanspruch vor dem Menschen, der diesen und dessen Lebensleistung schützt: Hergeleitet aus Artikel1 des Grundgesetzes: “Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Hier wird auch von ideellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts oder Persönlichkeitsschutz gesprochen. Geschützt vor Diffamierungen wird dabei das Lebens- bzw. Persönlichkeitsbild eines Menschen.

 

Wahrgenommen wird dieser Anspruch durch die Angehörigen einer verstorbenen Person, auch wenn diese nicht die Erben sind. Je mehr das Andenken verblasst, desto schwächer wirkt aber auch dieser Schutz. Die zeitliche Gültigkeit dieses Achtungsanspruch ist nicht konkret geregelt, wird von Gerichten aber in einer Spanne von 10-30 Jahren gewertet. Aspekte wie der Bekanntheitsgrad einer Person und wie sehr die entsprechende Handlung der Person zu Lebzeiten geschadet hätte, spielen dabei eine Rolle. Bei prominenten Personen kann dieser Schutz also durchaus länger wirken. Geschützt ist das eigene Andenken allerdings nur vor besonders schwerwiegenden Missbrauch. Die Schwere der Persönlichkeitsverletzung und die Schutzwirkung wird dabei im Einzelfall bewertet.

 

Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener kann auch als Straftat bewertet und geahndet werden. Entschädigungsforderungen wegen solcher Vergehen sind jedoch nicht möglich - die zu entschädigendePerson existiert schließlich nicht mehr. Rechtlich einfordern lässt sich hingegen die Beseitigung und die Unterlassung von solchen Verstößen.

Anders verhält es sich mit dem Recht am eigenen Bild und den sogenannten kommerziellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts, welche auch nach dem Tod rechtliche Gültigkeit besitzen – es wird also noch etwas komplizierter.

Was regelt das Recht am eigenen Bild nachdem Tod?

Zu Lebzeiten sichert das Recht am eigenen Bild einer Person zu:

- dass Bildnisse, die sie abbilden nur mit deren Zustimmung verbreitet und veröffentlicht werden dürfen

- geregelt ist dies in Paragraf 22 des Kultururhebergesetzes

- Einwilligungen können jederzeit und grundlos widerrufen werden.

Dieses Recht hat auch nach dem Tod einer Person weitere Gültigkeit: und zwar zehn Jahre lang. In diesem Falle bedarf es einer Einwilligung durch die Angehörigen für eine Veröffentlichung.

 

Diese zeitliche Regelung von zehn Jahren wird in Deutschland auch auf alle sogenannten kommerziellen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer verstorbenen Person übertragen. Das heißt: Der Ruf eines verstorbenen Menschen ist vor dem Missbrauch für kommerzielle Zwecke geschützt – Werbung oder andere kommerzielle Veröffentlichungen wären dafür ein Beispiel.

Diesen Anspruch nehmen die Erben wahr. Auch sind hier Schadensersatzansprüche möglich. Die Erben sollen dabei gemäß des ausdrücklichen oder des mutmaßlichen Willens der verstorbenen Person handeln: Schwierig, wenn darüber keine Gewissheit herrscht. Im besten Falle wurde dies also vorher besprochen oder schriftlich festgehalten – dazu gleich noch einmal mehr.

Zu betonen bleibt allerdings: Schon nach zehn Jahren besteht dieser Schutz nicht mehr – anders als z. B. gegenüber den Werken einer Person. Hier gilt Urheberpersönlichkeitsrecht sogar bis 70 Jahre nach dem Tod der urhebenden Person.

Es gibt also auch abseits der Datenschutzgrundverordnung einige einzelne Rechtslagen, die die Persönlichkeitsrechte einer Person postmortal regeln.

Vorsorge und Zukunftsaussichten

Und was bringt die Zukunft? Sicher dürfte sein: Angesichts des rasanten technologischen Fortschritts wird auch der Bedarf nach zusätzlichen rechtlichen Regelungen bisher unerschlossener Bereiche der Digitalisierung weiterhin steigen. Nicht zuletzt die Veröffentlichung und der Hype um die Möglichkeiten des Chatbot ChatGPT im November 2022 und der neuerdings in der Suchmaschine Bing als Beta Version integrierte Bot (- der erst kürzlich durch unerwünschte Verselbstständigung in Form vulgärer Entgleisungen oder Liebesbekundungen von sich reden machte) erfährt das Thema nochmal deutlich gestiegene Relevanz und Aktualität. 

Schon jetzt können vorsorgliche Überlegungen und Vorbereitungen den eigenen digitalen Nachlasses regeln. Aus der eigenen Haltung zum Thema lassen sich dabei zu Lebzeiten klare Regeln für den Umgang der Erben und Angehörigen mit den hinterlassenen Daten treffen, die ausreichend kommuniziert oder dokumentiert werden sollten. Das Recht am eigenen Bild und der postmortale Persönlichkeitsschutz bieten den rechtlichen Rahmen für den Schutz der Persönlichkeit nach dem eigenen Tod. Nationale Regelungen, die Datenschutz-Bestimmungen wie die der Datenschutzgrundverordnung auch auf Verstorbene übertragen, existieren in Deutschland bisher nicht.


Face it: Mit einem bewussten und zurückhaltenden Umgang der eigenen Datenpreisgabe zu Lebzeiten lässt sich Datenmissbrauch darüber hinaus gezielt und wirkungsvoll vorbeugen.

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Matthias

Matthias

Online Redakteur

Mich interessieren Netzthemen aus zivilgesellschaftlichen, kulturellen und auch emanzipatorischen Perspektiven heraus. Kommunikationsphänomene und technische Aspekte und Potentiale digitaler Medien faszinieren mich, können aber auch gleichermaßen beunruhigen - Aus dieser Perspektive schreibe ich für afk.