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Chatten mit Toten - Möglichkeiten von KI

Wer bereits jemanden verloren hat, kennt vermutlich den Wunsch, noch einmal mit dieser Person sprechen zu können. Bisher Ungesagtes aussprechen, richtig Abschied nehmen. Auch wenn das nicht möglich ist, geben uns Künstliche Intelligenzen (KI) eine Möglichkeit, die nahe an diesen Wunsch herankommt: Chatbots, die die Toten imitieren. Lass uns dir erklären, was dahinter steckt.

Michelangelo Buonarroti via Pexels


Wie funktioniert das Chatten mit Toten?

Der ein oder andere kennt das Prinzip möglicherweise schon aus der Science-Fiction-Serie Black Mirror. In der Folge “Be Right Back” erschafft eine trauernde Frau einen Chatbot ihres verstorbenen Freundes.

Das ist auch in unserer realen Welt möglich, dank hochentwickelter Technik und KI. Zur Vorbereitung des Chats wird das System mit Daten gespeist. Alles, was einen Einblick in die Persönlichkeit eines Menschen bietet, ist dazu geeignet: Chatverläufe, Bilder, Postings auf Social Media, Handgeschriebenes, Sprachnachrichten und mehr. Mit Hilfe dieser Daten versucht der Chatbot die Persönlichkeit des Menschen nachzuahmen. Er imitiert Schreibweisen, Formulierungen sowie Einstellungen und Ansichten. 

Auch wenn es einige Vorreiter gibt, stellen die meisten Chatbots momentan aber noch eher ein “digitales Erinnerungsarchiv” als eine tatsächliche KI dar. Allerdings wird weltweit stark an diesen Technologien gearbeitet, sodass auch in den nächsten Jahren mit einigen Entwicklungssprüngen gerechnet werden kann. Die Systeme werden immer komplexer und die Chatbots vermutlich immer realistischer.


Hier geht es zum YouTube-Video: „My dead best friend is now a chatbot“. 


Welche Chatbots gibt es?

Viele Chatbots wurden ursprünglich zur Unterstützung für die Arbeit entwickelt, beispielsweise um E-Mails nicht mehr länger selbst schreiben zu müssen. Manche von ihnen wurden dann aber auch weiterentwickelt und anderweitig verwendet, wie etwa Eter 9. Die KI ist dazu ausgelegt, eine Person so gut zu imitieren, dass sie deren Arbeit fast vollständig übernehmen kann. Andere dienten von Anfang an der Unterhaltung oder der sozialen Interaktion und werden unter anderem als digitale Freunde genutzt. Auch die Imitation Verstorbener war schon zu Beginn das Ziel einiger Programme. Als Beispiele hierfür sind vor allem Eternime, Project December und Replika zu nennen. Auch Microsoft hat 2021 ein ähnliches Patent beantragt.


Mittlerweile haben die Technologien einen weiteren großen Sprung gemacht: Die aktuellen Sprachprogramme scheinen so ausgereift zu sein, dass die auditive Imitation von Toten es auch in kommerzielle Produkte geschafft hat. Konkret heißt das, dass eure Sprachassistenten zukünftig verstorbene Personen nachmachen und mit deren Stimme sprechen können. Amazon wirbt bereits konkret mit dieser Idee. In einem Video zeigt das Unternehmen, wie ihr Sprachassistent Alexa einem Kind eine Gutenachtgeschichte in der Stimme seiner verstorbenen Großmutter vorliest.

Gibt es Risiken bei der Nutzung?

In der Tat gibt es auch einige kritische Stimmen zum Chatten mit Toten. Zum einen ist es nicht ganz klar, ob solche Technologien ethisch vertretbar sind. Gesetzlich gibt es momentan zwar nichts, was dagegen spricht, allerdings werden schließlich die Daten von Toten genutzt, oft ohne deren vorherige Einwilligung. 

Gleichzeitig bergen die Chatbots auch eine potenzielle Gefahr für die Hinterbliebenen, die sie nutzen. Wenn du gerade erst jemandem verloren hast, kann dir ein Chatbot beim Trauern helfen. Es kann aber auch passieren, dass du deine Trauer so nicht überwinden kannst. Eine zu starke Fixierung an den Chatbot kann schlimmstenfalls das Durchlaufen der Trauerphasen hemmen oder sogar ganz stoppen. 

Doch nicht nur für den einzelnen könnten Chatbots bzw. die dahinterstehenden Technologien zur Gefahr werden. Gerade gut gemachte Sprachimitationen könnten auf kriminelle Weise missbraucht werden. Dann dienen die Stimmen der Verstorbenen nicht nur dem Erzählen von Gutenachtgeschichten, sondern auch für beispielsweise Telefonanrufe bei der Bank oder dem Steuern von sprachgeschützten Geräten.

Auch die sogenannten Deepfakes werden oft als Risiko gesehen. Sie stellen eine Weiterentwicklung der Chatbot-Technologie dar.

Was sind Deepfakes?

Der Begriff Deepfake setzt sich aus “Deep Learning”, das Lernen von Computers, und “Fake”, zu Deutsch Fälschung, zusammen. Dabei werden Gesichter in Videos, teilweise inklusive Stimmen, täuschend echt von Computern nachgeahmt.

Kleinere Varianten dieser Deepfakes gibt es sogar schon als App zum spielerischen Ausprobieren (z.B. Reface). Allerdings gibt es auch schon Deepfakes, die kaum mehr zu entlarven sind. Diese Technik bietet neben vielen Chancen, beispielsweise für die Filmindustrie, auch einige Risiken. So wurden bereits viele Prominente als Deepfake realisiert und Online in Zoom-Calls, Pornos, etc. ohne deren Einwilligung verbreitet. Deepfakes werden leider auch immer öfter für kriminelle Zwecke wie beispielsweise Betrug genutzt.

Fazit: Wofür kann ich die Chatbots nutzen und was muss ich beachten?

Das Chatten mit Toten ist definitiv eine interessante neue Technologie. Und auch wenn ihr manche Aspekte mit Vorsicht genießen solltet, bieten die Technologien und die dahinter stehende KI großes Potenzial. So können Chatbots eine Unterstützung bei der Trauerbewältigung darstellen. Insbesondere bei plötzlichen Todesfällen, bei denen die Angehörigen keine Gelegenheit hatten Abschied zu nehmen, kann die Illusion eines letzten Gesprächs eventuell so manche Wunde schneller heilen lassen. Eine verantwortungsvolle Nutzung ist hierfür allerdings unbedingt notwendig, wenn nicht sogar eine zeitliche Begrenzung der Nutzung.

Gleichzeitig solltet ihr euch bewusst sein, dass das Chatten mit Toten eine ganze Menge sensibler Daten verlangt. Auch hier ist ein durchdachter Umgang ratsam. Am besten scheint es jedoch, wenn ihr auch die Nutzung eurer eigenen Daten schon im Testament festlegt. So wissen eure Hinterbliebenen im Fall der Fälle, ob sie eure Daten für einen letzten Chat verwenden dürfen oder lieber nicht.

Papierblätter als Symbolbild für Rechtliches.

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Julia Verstraelen

Julia Verstraelen

Redakteurin

Ich liebe schon immer Worte und Sprache und studiere deswegen gerade Online-Redaktion in Köln. Egal ob in Filmen, Gedichten oder Videospielen – gute Geschichten begeistern mich einfach. Besonders aber die von Menschen. Damit aber genau diese Geschichten vielleicht ein bisschen besser und entspannter enden können, schreibe ich für AFK.